

Das Publikum steht im Mittelpunkt vieler Aktivitäten von Museen; Besucherumfragen und die Segmentierung der Zielgruppen haben im Laufe des vergangenen Jahrzehnts unser Verständnis für die Menschen, die durch unsere Türen kommen, vertieft.
Mit Blick auf die Empfänger einer Darbietung oder einer Dienstleistung ist „Publikum“ vielleicht nicht die passendste Wortwahl, um den modernen Museumskunden zu beschreiben. Diese Menschen, führen in zunehmendem Maße digitale Leben, in denen sie nicht Zuschauer, sondern aktive Teilnehmer sind, die in aufsuchende Programme und Projekte gut eingebunden sind.
Es ist zwar nicht anzunehmen, dass der Gebrauch des Wortes “Publikum” aus der Mode kommt, doch ich meine, dass es hilfreich wäre, die Menschen, die entweder auf digitalem Wege oder durch den Besuch unserer Veranstaltungen mit uns interagieren, als Teilnehmer zu betrachten.
Ob Sie eine neue Ausstellung, eine Website oder eine Marketingstrategie planen, wenn Sie darüber nachdenken, wie Sie das Interesse der „Teilnehmer“ anstelle des „Publikums“ Ihres Museums wecken können, wird sich Ihre Einstellung ändern.
Teilnehmerorientiertes Marketing
Im Februar 2011 lancierte eine Gruppe von Museen und Gallerien im englischen Yorkshire eine Marketingkampagne, um für Kunstsammlungen zu werben, die an 35 Orten im ganzen Land ausgestellt wurden.
Statt mit großen Worten die Kunstwerke in diesen Museen und Gallerien anzupreisen, forderte man die Öffentlichkeit auf, sich an der Kampagne zu beteiligen und Geschichten über ihre Lieblingsgemälde zu schreiben.
Als Anreiz bot die Kampagne Yorkshire’s Favourite Painting dem Gewinner die Gelegenheit, eine Replik eines Gemäldes nach Wahl zu gewinnen. Innerhalb von sechs Wochen nahmen über 400 Menschen an dem Preisausschreiben teil.
Die Teilnehmer schrieben die unterschiedlichsten Geschichten, sie reichten vom bewegenden Bericht einer Mutter, die ein Lowry-Gemälde an ihren in Afghanistan gefallenen Sohn erinnerte, über einen sechsjährigen Jungen, dem ein Gemälde mit Meerjungfrauen ‚wegen der hübschen Damen‘ gefiel, bis hin zu einer Dame, die eine Replik eines Werks ihres Vaters gewinnen wollte, der ein berühmter Künstler gewesen war.
Zwar schrieben 400 Menschen Geschichten, doch noch viele mehr nahmen an der Kampagne teil, indem sie ihre Geschichten in sozialen Netzwerken einstellten, Kommentare dazu schrieben und für Geschichten stimmten.
Die Website zählte Zehntausende Zugriffe, doch die Kampagne hatte noch weitere Resonanz, denn aus den Online-Teilnehmern wurden Besucher in der realen Welt.
Websites für Teilnehmer
Über Facebook und Twitter schaffen Museen Räume, in denen sich die Öffentlichkeit online beteiligen kann, doch die wenigsten Museen haben diese Art der Interaktion in ihre eigenen Websites integriert.
Teylers Museum, das erste und älteste Museum der Niederlande ist ein solcher Fall: Die Website des Museums informiert die Öffentlichkeit über alles, was einen vor einem Besuch interessieren könnte, doch die Öffentlichkeit erhält keine Gelegenheit zu einer sinnvollen Beteiligung. Teylers Museum betreibt jedoch noch eine weitere Website, die in das soziale Netzwerk NING integriert ist. Diese Site überschreitet Barrieren und verleiht dem Museum eine Lebendigkeit, die mit der konventionellen Website nicht möglich ist. Dieses kleine soziale Netzwerk, dem Kuratoren, Partner und Freunde des Museums angehören, steht allen Interessierten offen.
Hermann Voogd vom Teylers Museum erklärt: “Wir nutzen NING, um Teyler-Fans und unseren Mitarbeitern Gelegenheit zu geben, Bilder hochzuladen und Kommentare zum Museum abzugeben.
‘“Uns gefällt die Vorstellung, sowohl eine traditionelle Museums-Website als auch etwas Offeneres zu haben; einen Blog, ein Photoalbum, wo jeder einzelne Mitarbeiter mehr Freiheiten hat. Auf unserer NING-Website macht es nichts, wenn ein Bild nicht gestochen scharf ist oder ein Film etwas laienhaft wirkt.“
Die Regel lautet, nicht zuviel Zeit zu investieren, sondern möglichst viel Wissen über das Museum oder die Sammlungen weiterzugeben.
Mit NING als Plattform hat die Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich nicht nur durch Kommentare zu den Inhalten der Museums-Website einzubringen, die Besucher können auch eigene Diskussionen führen und anderen ihre eigene Sicht des Museums mitteilen.
Ich denke, dass schlussendlich alle Museums-Websites dem Publikum Gelegenheit geben werden, sich auf diese Weise zu beteiligen. Dieser Ansatz ist zwar arbeitsintensiver und nimmt mehr Zeit in Anspruch als eine traditionelle Website, und viele haben sicher Bedenken wegen der Ressourcen, die zur Pflege einer solchen Online-Gemeinschaft notwendig sind. Doch wenn ein Museum nicht die Zeit erübrigen kann, um sich (auch online) an Diskussionen mit seinem Publikum zu beteiligen, dann sollte es unbedingt seine Prioritäten überdenken.
Ausstellungen für Teilnehmer
Eine andere Möglichkeit, um unser Publikum als Teilnehmer einzubinden ist die Mitgestaltung von Ausstellungen. Ich glaube, das ist eine große Chance, die Museen erst seit Neuestem erproben.
Diese Art gemeinsamer Gestaltung kann viele Formen annehmen; in einer historischen Ausstellung könnte der Akzent auf Zeitzeugenbeiträgen liegen; Kunstausstellungen könnten nach dem Prinzip des Crowdsourcing unter Mitwirkung der Öffentlichkeit zusammengestellt werden oder man könnte Besucher neue Begleittexte zu Gemälden schreiben lassen.
Ein aktuelles Beispiel liefert CCCB in Barcelona, wo eine Ausstellung der im 20. Jahrhundert entstandenen Arbeiten des spanischen Photographen Josep Brangulí mit einem Projekt ergänzt wird, das typisch für das 21. Jahrhundert ist. Über Barcelonas lebendige Flickr-Gemeinschaft wurden Fotografen der Gegenwart aufgefordert, die Themen der Ausstellung und Josep Brangulìs Werk mit eigenen Arbeiten zu interpretieren. Innerhalb eines Monats gingen über 2000 Beiträge ein. Zu jedem Thema der Ausstellung wird ein modernes Bild neben den Arbeiten Josep Brangulì ausgestellt; außerdem werden sämtliche eingegangenen Arbeiten als Projektion gezeigt.
Hier wurden soziale Medien nicht um ihrer selbst willen eingesetzt, um einem Trend zu folgen, vielmehr wurde die Technologie genutzt, um eine Ausstellung durch die Beteiligung der Öffentlichkeit zu verbessern. Gleichzeitig setzt CCCB Impulse für die Menschen, die sich die Zeit nehmen und sich engagieren, sich eingehender mit den Themen der Ausstellung und der sich wandelnden Welt, die in Brangulìs sowie den modernen Bildern dargestellt wird, auseinanderzusetzen.
Diese Art der Mitwirkung erkennt an, dass die Öffentlichkeit ein Mitspracherecht im Museum hat und dass diese Menschen etwas beitragen können.
Fazit
Der gemeinsame Nenner dieser Formen der Mitwirkung ist, dass sie der Öffentlichkeit ein Mitspracherecht im Museum zugestehen und anerkennen, dass diese Menschen etwas beitragen können, das die Ausstellung oft interessanter macht, als sie es ohne die Beteiligung der Öffentlichkeit wäre.
Vielleicht ist es naiv, anzunehmen, dass die besten Fachkenntnisse stets innerhalb des Museums zu finden sind.
Unsere Zielgruppen sind keine passiven Zuschauer. Sie erwarten zunehmend von Museen, ihnen Mitwirkungsmöglichkeiten zu bieten und dieser Tatsache sollte die Öffentlichkeitsarbeit von Museen Rechnung tragen.
Betrachten Sie die Menschen, die Ihre Ausstellungen besuchen oder online mit Ihnen kommunizieren, nicht als Publikum; denken Sie vielmehr darüber nach, was Sie ihnen als Teilnehmer bieten